Gesprächsfetzen am Beckenrand

2 Von VeKiBoe
Gesprächsfetzen am Beckenrand

Keiner sind immer die Anderen

Kennen Sie diese Situation im Schwimmbad, wenn Sie eine Bahn fast beendet haben und sich am Rand zwei Personen unterhalten? Man schnappt vielleicht etwas nach Luft und unvermutet auch einen Gesprächsfetzen auf.

Heute Morgen hörte ich am Ende einer Bahn „…und wieder mal sagt keiner was!“ In meinen Ohren klang die Stimme deutlich empört. Auf meiner nächsten Bahn dachte ich darüber nach, wer „keiner“ denn eigentlich sei und schwamm weiter. Den nächsten Bruchteil des Gesprächs vernahm ich auf dem Rückweg: … wenn keiner was macht, mache ich aber auch nichts“.

Zwei Bahnen später: Wieder hatte ich nachgesonnen; dieses Mal über „keiner“ und „ich“ und erreichte die zwei noch immer am Rand Stehenden. Also  hörte ich schließlich auch den Schlusssatz des Gespräches: „Alle wollen immer, dass einer was macht und keiner traut sich. Ich hole auch nicht wieder für alle die Kohlen aus dem Feuer.“

Auf meinen weiteren Bahnen sortierte ich in Gedanken die Personen, die in diesen Gespächsfetzen vorgekommen waren: keiner … ich … alle … einer.

Jeder kennt solche Gespräche, in denen zwei oder mehr Menschen ganz allgemein den Unmut über eine Begebenheit, eine Situation, eine Entscheidung austauschen und dabei Handlung und Aktivität von „den Anderen“ fordern oder ihren Unmut über „alle“ und „keinen“ äußern. Und bestimmt weiß die sprechende Person auch, wer diese Anderen, wer alle und wer keiner in der eigenen Vorstellung sind. Das Ich haben sie ja dabei.

Aus der Position der emotionalen Unbefangenheit überlegt, welche Rollen hier benannt wurden, fiel mir auf, dass es nur eine konkrete Person dabei gibt, nämlich das ICH der sprechenden Person. Darüber hinaus allenfalls noch das Gegenüber, von dem mir jedoch nicht bekannt wurde, ob es eher „keiner“ ist, zu den „anderen“ oder zu „allen“ gehört.

Mich hat diese kurze Gesprächssequenz, von der ich nicht einmal weiß, worum es inhaltlich ging, in mehreren Bereichen nachdenklich gemacht.

Zuerst einmal habe ich überlegt, ob ich selbst auch in dieser oder einer ähnlichen Art und Weise spreche.

Im Anschluss daran stellt ich mir die Frage, wie das Gespräch wohl verlaufen wäre, wenn die beiden sich über ganz konkrete Personen und inhaltliche Details unterhalten hätten.

Schnell kam ich zu dem Schluss, dass der Beckenrand eines Schwimmbades dafür wohl schlicht nicht der passende Ort ist.

Und vielleicht ging es je auch gar nicht um einen inhaltlichen Austausch?

War das Gespräch einfach nur ein emotionaler Druckabbau am Beckenrand?

Oder ging es gar darum, dass sich die beiden „wieder einmal“ durch irgend etwas oder jemanden im Becken gestört fühlten?

Möglicherweise sogar durch mich?

Schwimmen ist für mich eine schöne Art der Bewegung. Deshalb fahre ich einmal in der Woche morgens in ein Schwimmbad, um mich im Wasser zu bewegen, meine Körperkraft mindestens zu erhalten und meine Kondition zu verbessern.

Meist treffe ich dabei auf immer bekanntere Gesichter und wir begrüßen einander freundlich, wenn ich gerade Augen und Mund oberhalb der Wasserkannte habe und die Brille nicht beschlagen ist. Ich gehöre nämlich zu den Menschen, die mit geradem Hals und eintauchendem Kopf schwimmen. Und ich trage eine Schwimmbrille, weil ich Chlor in den Augen nicht gut vertrage.

Darüber hinaus, möchte ich gern einige Bahnen nacheinander durchhalten und mache nicht so viele Pausen. Damit gehöre ich optisch, vom Bewegungsablauf und vom Verhalten zu den Schnellschwimmern. Außerdem gehöre ich zu den jüngeren Personen, die morgens im Schwimmbad sind.

Das Becken ist ausreichend groß und es war heute nicht sehr voll, so dass ich beschloss, dass es keinen Grund gäbe, sich durch eine einzelne Person gestört zu fühlen, die einfach nur in mäßiger Geschwindigkeit ihre Bahnen schwimmt und darauf achtet, zu den anderen Schwimmerinnen und Schwimmern genügend Abstand zu halten.

So konnte ich gelassen und in Ruhe noch ein paar Bahnen schwimmen und weiterhin meine Gedanken über alle und keinen fortsetzen. Und ich bin sehr froh, geeignete Mittel zu kennen, die es mir immer wieder ermöglichen, mich darauf zu besinnen, wer die Bewertung in meinem Inneren vornimmt und meine Gedanken und Gefühle beeinflussen kann:

  Auch das ist eine Form von Selbstwirksamkeit.